Interview in der Rheinzeitung

Pfarrer bringt frischen Wind in die Gemeinde

Interview Patrique Friesenkothen will in Dierdorf passendes Angebot auch für junge Menschen – Westerwald gefällt ihm

Dierdorf. Er stammt aus dem Ruhrpott, hat längere Zeit in den USA und in Kanada gelebt und gearbeitet und hat als Seelsorger auch den Gesellenbrief eines Zimmermanns in der Tasche. Die Rede ist von Patrique Friesenkothen, der seit einigen Monaten als Pfarrer in der evangelischen Gemeinde in Dierdorf wirkt. Die RZ traf ihn und sprach mit ihm über seine Aufgabe und seine Person.

Herr Friesenkothen, für was stehen Sie als Pfarrer, für frischen Wind oder Wahrung des Status quo?

Wenn Sie mich so fragen, ganz klar für frischen Wind. Ich möchte gemeinsam mit meiner Gemeinde etwas auf den Weg bringen. Ich bin sicher nicht von Raubach nach Dierdorf gekommen, um zu verwalten oder zu bewahren, was sich als nicht mehr zeitgemäß herausgestellt hat.

Mit welchem Anspruch an sich selbst sind Sie an Ihre Aufgabe in Dierdorf herangegangen?

Ich will authentisch mit den Leuten umgehen, die da sind.

Wen haben Sie denn in Ihrer Kirchengemeinde vorgefunden?

Grundsätzlich habe ich eine sehr aktive Gemeinde vorgefunden. Viele beteiligen sich zum Teil schon seit Jahrzehnten mit Leidenschaft und Engagement. Das kann man sich als Pfarrer nur wünschen. In ihrer Frömmigkeit ist unsere Gemeinde sehr divergent. Und das sage ich völlig wertfrei.

Sind wir da schon an dem Punkt „Was ich als Pfarrer gern bewirken möchte“ angelangt?

Genau. Mir liegt es am Herzen, etwa junge Menschen mehr als bisher einzubinden. Ich denke, sie brauchen einen Raum, in dem sie sich einbringen können. Und den möchte ich schaffen.

Was schwebt Ihnen da konkret vor?

Mein Eindruck ist, dass es bei jungen Menschen ein großes Interesse an Kirche gibt, aber nicht immer den geeigneten Ort. Nehmen wir zum Beispiel den Gottesdienst sonntags um 10 Uhr. Da wollen doch viele nach einer arbeitsreichen Woche mit ihren Familien lieber am Frühstückstisch sitzen. Das ist auch vollkommen okay so. Es braucht also eine andere Form, damit auch diese Menschen ein Angebot für sich finden.

Gibt es etwas, was Ihnen als Pfarrer darüber hinaus am Herzen liegt?

Da gibt es einiges. Ich möchte intensiver den Blick hinter die Autobahn ins Maischeider Land richten. Auch dort wollen Menschen abgeholt werden. Und ich fände es schön, wenn die vielen Spätaussiedler in unserer Gemeinde mehr im gemeinschaftlichen Leben vorkommen würden.

Wie halten Sie es denn mit der Ökumene?

Die Ökumene mit den katholischen Geschwistern läuft gut. Wir feiern gemeinsam Gottesdienste in unseren Gemeinden, im Seniorenzentrum und im Krankenhaus. Wir organisieren die Notfallseelsorge in unserem Team gemeinsam, die katholischen Geschwister die Fahrt zum Christusfest an Pfingstmontag. Wir begegnen uns auf Augenhöhe und arbeiten uns gegenseitig zu. Die Gemeinden finden das gut und wünschen sich einen weiteren Ausbau. Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass für Christenmenschen die Gemeinschaft im Vordergrund steht. Die Diskussionen im Elfenbeinturm über hohe Theologie bieten dafür wenig Platz.

Mit 39 Jahren zählen Sie ja noch zu den jungen Pfarrern im Kirchenkreis. Sehen Sie Unterschiede im Vergleich mit älteren Kollegen?

Meine Lebenswelt ist in Teilen eine andere als die von älteren Kollegen, keine Frage. Ein Gottesdienst mit Tablet, das ist für manche Neuland oder gar noch undenkbar, für mich ist das normal. Internet und Co. gehören heute einfach dazu, damit wir als Kirche mit den Menschen und der Gesellschaft Schritt halten können.

Sie sind in der Welt weit herumgekommen, was hat sie ausgerechnet in den Kreis Neuwied verschlagen?

Ich konnte hier eine Vikarstelle antreten. Und da ich früher schon mal da war, griff ich zu.

Sie hatten also zuvor schon mal Kontakt zur Gegend hier?

Ja, ich nahm vor etlichen Jahren an einem Ausreisekurs teil, der über den Friedensdienst Eirene lief. In Neuwied bin auf den Aufenthalt als Zivildienstleistender in den USA vorbereitet worden, da habe ich die Stadt schon mal ein bisschen kennengelernt. Die Gegend und die Menschen haben mir damals schon gefallen.

Heißt, Sie fühlen sich wohl im ländlich geprägten Rheinischen Westerwald?

Absolut. Zeit in der Anonymität einer Großstadt wie Berlin zu verbringen, hat für mich auch seinen Reiz. Aber grundsätzlich mag ich es, Menschen zu kennen und die dann auch beim Bäcker zu treffen. Und das kann ich in Dierdorf sehr gut leben.

Vom Zimmermann zum Pfarrer, wie kam es letztlich zu Ihrem Engagement als Seelsorger?

Das ist eine lange Geschichte. Da spielt zunächst meine Herkunft eine wichtige Rolle. Ich bin im Norden von Essen, einem sozialen Brennpunkt aufgewachsen. Da habe ich einiges erlebt, das meinen Sinn für Gerechtigkeit ausgeprägt hat. Das war schon in meiner Jugend eine Triebfeder für den Wunsch, einmal als Pfarrer zu arbeiten. Hinzu kam, dass ich im Konfirmandenunterricht auf einen sehr bemerkenswerten Pfarrer getroffen bin. Dieser Mann verkörperte viele von den Dingen, die mich angezogen haben.

Welche sind das?

Nun, Empathie, Intellektualität, er sprach viele Sprachen, hatte unendlich viel gelesen und war einfach auf vielen Gebieten sehr bewandert. Das hat mich unheimlich beeindruckt. Obendrein fand ich es spannend, wie viele Facetten der Job eines Pfarrers bietet.

Wie geht die Geschichte weiter?

Im Zeitraffer ungefähr so: Nach dem Studium fing ich 2009 als Vikar in der Neuwieder Marktkirchengemeinde an. Nach dem zweiten Examen 2011 nahm ich eine halbe Stelle in Feldkirchen an und kümmerte mich im Rahmen der anderen 50 Prozent um die Jugendarbeit. Schließlich fragte mich Superintendent Wolfgang Eickhoff, ob ich sein Entlaster in Raubach werden möchte. So war ich dort für drei Jahre Pfarrer, ehe mich das Presbyterium in Dierdorf ansprach, ob ich mir vorstellen könnte, ab Oktober 2016 in Dierdorf die Pfarrstelle zu übernehmen.

Wie würden Sie sich als Typ beschreiben?

Offen und zugewandt. Ich kann Konfirmanden gegenüber der Kumpeltyp sein, versuche aber auch, den richtigen Ton für Trauerfälle zu treffen.

Und wie kommt das an?

Nun, ich hoffe zunächst mal, dass die Menschen mir ehrlich sagen, wenn ihnen etwas nicht passt. Aber ich habe den Eindruck, dass sie ganz gut mit mir klarkommen. Zumindest sind die Rückmeldungen aus der Seelsorge erfreulich positiv. Trotzdem möchte ich mich nicht darauf ausruhen und freue mich darauf, noch mehr zu lernen. Das ist für mich das Wichtigste.

Die Fragen stellte Ralf Grün.

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